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Neue Bücher

Deniz Utlu

Vaters Meer

Vaters Meer erzählt von einem Schicksalsschlag, der eine ganze Familie trifft, von einer Vater-Sohn-Beziehung, die abrupt endet, von Migration und Zugehörigkeit. Deniz Utlu zeichnet die unerwarteten Wege des Lebens wie der Erinnerung nach. Sein Roman zeugt von der Kraft des Erzählens - die dann am deutlichsten wird, wenn die Sprache das Letzte ist, was einem bleibt.

Yunus ist dreizehn Jahre alt, da erleidet sein Vater zwei Schlaganfälle und ist fortan nahezu vollständig gelähmt. Er kann nur noch über Augenbewegungen kommunizieren. Zehn Jahre wird er von Yunus' Mutter gepflegt, erst in einem Heim, dann zu Hause, bevor er stirbt. Und Yunus, der zum Studium ausgezogen ist aus der elterlichen Wohnung, ruft sich immer wieder Bilder aus seiner Kindheit wach: Erlebnisse und Gespräche mit dem Vater, von denen er manchmal gar nicht mehr wusste, dass er sie noch in sich trägt. Sie fügen sich zu dem warmherzigen Porträt eines Mannes, der mit lauter Stimme lachte oder auf Arabisch fluchte, der häufig abwesend und leicht reizbar war und der einst aus Mardin nahe der türkisch-syrischen Grenze nach Istanbul ging, dort den Militärputsch miterlebte und schließlich mit einem Frachtschiff nach Deutschland kam.

»Dieses Buch hat mein Herz gebrochen und wieder zusammengeflickt. Die Figuren und die Sprache, sie werden mich für immer begleiten.« Fatma Aydemir

Suhrkamp, 384 S., 25,-

Shila Behjat

Söhne großziehen als Feministin

Ein Streitgespräch mit mir selbst

Lässt sich Feminismus mit der Erziehung von Söhnen vereinen? "Ein wichtiges Buch, das wir jetzt brauchen. Weil es ein Türöffner ist." Mithu Sanyal

Ihren Feminismus hat Shila Behjat durch unzählige Erfahrungen erlernt und sie kämpft für eine Welt, in der Männer nicht länger das Maß aller Dinge sind. Nun ist sie Mutter zweier Söhne - die im Alltag so manches Rollenmuster ins Wanken bringen. Persönlich und ungemein berührend erzählt Behjat anhand ganz alltäglicher Situationen, wie das Leben mit zwei heranwachsenden Jungs ihre feministische Haltung verändert hat - und verortet ihre Erfahrungen und Gedanken in den Debatten unserer Zeit. Auf diese Weise stellt sie sich lange vernachlässigten Fragen der Gleichberechtigung, die nicht nur Eltern, sondern die Gesellschaft als Ganze angehen. Ein konstruktives, selbstkritisches und sehr bewegendes Debüt, das zeigt: Es ist Zeit für ein Streitgespräch - mit uns selbst!

Hanser, 200 S., 23,-

Institut für Radikalisierungsforschung beim Bildungskollektiv Biko (Hg.)

Radikalisiert euch!

Beiträge zu radikaler Theorie und Praxis.

Viele Akteure in Zivilgesellschaft und politischer Bildung neigen dazu, die autoritäre und verkürzte Logik der Deradikalisierung zu übernehmen, welche derzeit das Erbe der Extremismusdoktrin antritt. Es ist eine Doktrin, die Radikalität als Bedrohung eines guten Zusammenlebens und Radikalisierung als beinahe universelle Chiffre für das Böse betrachtet. Die vermeintlich befriedende Kraft der Deradikalisierung versucht jene, die auf ihrem Verlangen nach einem ganz anderen Ganzen beharren, zu bändigen. Fördermittellogiken, Sachzwänge, die Notwenigkeit von Bündnispartner_innen und nicht zuletzt Repression hindern sie daran, aufs Ganze zu gehen.Dabei ist Radikalität unerlässlich, um ein gutes Leben für alle überhaupt erst möglich zu machen. 'Radikal' ist eine Kritik der bestehenden Verhältnisse, wenn sie sich nicht nur an der Oberfläche abarbeitet, sondern nach Ursachen sucht - und eine Praxis verfolgt, die auf die Beseitigung dieser Ursachen ausgerichtet ist. Daher rufen die Herausgeber_innen: »Radikalisiert euch!« - im Alltag, im Aktivismus, in der Kritik. Aktivist_innen, in linken Projekten Beschäftigte, kritische Wissenschaftler_innen und Sympathisant_innen verschiedener sozialer Bewegungen diskutieren in diesem Sammelband, wie die Deradikalisierungslogik kritisiert und emanzipatorische Radikalisierungsprozesse in Gang gesetzt werden können.Mit Beiträgen von Felix Klopotek, Lukas Holfeld, Krisis, Katze und Fliege, Michel Raab, Julika Bürgin, Sarah Schulz, Hanna Poddig, Maria Neuhauss, Soli-Asyl Thüringen, Markus Beinhauer und Karl Meyerbeer.

Unrast Verlag, 200 S., 14,80

Gün Tank Biplab Basu Eberhard Schultz Klaus Kohlmeyer (Hg.)

Das Problem heißt institutioneller Rassismus

Vielfalt statt Ausgrenzung!

In den Debatten um die »Black Lives Matter-Bewegung« und die erschreckenden Enthüllungen von rassistischen Vorstellungen und Drohungen in Polizei (»NSU 2.0«), Verfassungsschutz und Bundeswehr werden außer dem Alltagsrassismus bestenfalls einzelne »Sündenböcke« herausgestellt. Sie werden für Übergriffe und Gewalttaten gegen Politiker_innen, Migrant_innen und deren Vertreter_innen verantwortlich gemacht.Schon lange jedoch reihen sich Wortmeldungen ranghoher Staatsvertreter_innen, Bundestagsabgeordneter und politischer Prominenz in die rassistischen Äußerungen eines Thilo Sarrazin ein - von der alltäglichen Praxis des »Racial Profiling« bei Polizei und Sicherheitskräften ganz zu schweigen.Die Herausgeber haben vor dem Hintergrund ihrer Erfahrungen als Menschenrechtsanwalt bzw. Politikberater Beiträge von engagierten Expert_innen und rassistisch diskriminierten Menschen und ihren Organisationen zusammengetragen, die deren kritische Sicht auf die aktuelle Debatte als Betroffene darstellen.Die Autor_innen belegen einmal mehr: Ohne den institutionellen Rassismus in Gesetzen und Verordnungen, in der Justiz und Verwaltung, in der Bildung, dem Gesundheitswesen sowie auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt ins Visier zu nehmen, lässt sich auch der Alltagsrassismus nicht wirksam bekämpfen. Die Beiträge in diesem Band behandeln zentrale Themen für die Zukunft unserer Demokratie, denn Hass und Rassismus vergiften nicht nur die Gesellschaft, sondern zerstören auch unser alltägliches Leben. Und sie geben Antworten auf die Frage: Ist eine Gesellschaft ohne rassistische Diskriminierung vorstellbar?

VSA, 176 S., 16,80

Norma Schneider

Punk statt Putin

Gegenkultur in Russland.

Spätestens seit Pussy Riot und ihrem Punkgebet in der Christ-Erlöser-Kathedrale in Moskau wissen wir: In Russland steht längst nicht jede:r hinter Putin. Es gibt mutige Menschen, die sich trotz drohender Repressionen mit ihrer Musik, Kunst und Literatur gegen den nationalistischen, patriarchalen und homophoben Mainstream stellen.»Punk statt Putin« zeigt zwei unterschiedliche Welten: Auf der einen Seite einen zunehmend repressiver agierenden autoritären Staat, auf der anderen Seite oppositionelle Künstler:innen und Aktivist:innen, die sich Nischen suchen, Spielräume nutzen und kreativ mit ihrer verzweifelten Lage umgehen. Norma Schneider beschreibt die vielfältigen Formen und Inhalte russischer Gegenkultur in Putins Russland - vor und nach Beginn des Angriffskrieges gegen die Ukraine. Obwohl das Regime seinen Kritiker:innen mittlerweile nur noch die Wahl lässt zwischen Exil, Selbstzensur und Gefängnis, stehen in ihrem Buch nicht die Repressionen im Vordergrund, sondern das, was trotz allem möglich ist.Norma Schneider führt in die Ideologie des Putin-Regimes ein, stellt den politischen und kulturellen Mainstream und die offizielle Kulturpolitik vor, beschreibt den Umgang des Staates mit Gegenkultur zwischen Repressionen und Versuchen der Vereinnahmung. Dem gegenüber steht ein lebendiges Porträt der russischen Gegenkultur, in dem die Underground-Szene, Anti-Kriegs-Lieder und queere Literatur genauso Platz finden wie feministische Selbstorganisation, Putin-Memes und künstlerischer Protest im öffentlichen Raum.Die zahlreichen Interviews, die Schneider mit Künstler:innen in Russland und im Exil geführt hat, erzählen von Hoffnung und Perspektivlosigkeit, von mutigem Protest, Safe Spaces und dem Willen, weiter für ein freies Russland zu kämpfen.

Ventil, 160 S., 16,-

Valentina Mira

X

Valentina hat sich ein Tattoo auf den Ringfinger stechen lassen, ein X, genau an der Stelle, wo das kleine Muttermal war, das gleiche wie auf dem Finger ihres Bruders. Als Kind war sie stolz auf dieses Zeichen der Zusammengehörigkeit, aber dann tauchte ihr Bruder ab, schloss sich der neofaschistischen Bande von G. an. Zum letzten Mal gesehen hat sie ihn im Video einer Überwachungskamera. An einem Weihnachtsabend ist er in die Garage der Eltern eingebrochen und hat ihre Autos zertrümmert. X ist ein Roman in drei Dutzend Briefen, die Valentina ihrem Bruder schreibt. Im Zentrum steht der Sommer 2010: Valentina hat gerade ein gutes Abitur gemacht, sie will studieren, aber zuerst wird gefeiert, gelacht und getrunken. G. ist auch auf dem Fest, er ist nicht nur ein Freund ihres Bruders, er ist auch ein Freund von ihr. Doch in dieser Nacht wird G. zu Valentinas Vergewaltiger. Valentina zeigt G. nicht an, sie schweigt, verschließt sich, isst nicht mehr. Nur ihrem Bruder versucht sie sich anzuvertrauen, aber er wendet sich von ihr ab. Erst Jahre später entschließt sich Valentina zu einem Befreiungsschlag.

Rotpunktverlag, 200 S., 24,-

Wu Ming

Ufo 78

Das Ende der 70er-Jahre: Gegenkultur und Drogenexperimente, Feminismus und Kampf für das Recht auf Abtreibung, Schließung der Irrenanstalten und letzte große Sozialreformen, Eskalation der Militanz und zunehmende Repression, faschistische Geheimbünde und Waffenlager. Das Wendejahr 1978: Aldo Moro wird entführt und ermordet. Das Land im Ausnahmezustand. Während all dies geschieht, sehen immer mehr Italiener fliegende Untertassen. Es ist ein Massenphänomen, die »Große Welle«. Milena Cravero, eine junge Anthropologin, fährt zu einem Ufologen-Kongress nach Rom, der wegen der Moro-Entführung ausfällt. Martin Zanka, ein ehemaliger Partisan, erzählt in seinen Romanen Geschichten über antike Kosmonauten. Sein Sohn Vincenzo, der von der Heroinsucht loskommen will, lebt in einer Kommune auf einem Landgut. Zwei Pfadfinder verschwinden in den Wäldern eines geheimnisvollen Berges. Ein Strudel von Geschichten steuert auf ein dramatisches Finale zu. Wu Ming mischen in herrlich schräger Weise Realität und Fiktion, Popkultur und Filmgeschichte. Sie werfen einen neuen Blick auf ein Schlüsseljahr der italienischen Geschichte, um es aus dem Gefängnis der bleiernen Zeit zu befreien.

Assoziation A, 480 S., 28,-

Temur Babluani

Sonne, Mond und Kornfeld

Tbilissi 1968: Die Mafia ist mächtig, der Staat korrupt. Mitten in die Machenschaften der georgischen Mafia gerät der siebzehnjährige Dschude. Lebenshungrig, ehrgeizig und verliebt, wird er eines Verbrechens beschuldigt, das er nicht begangen hat. Das Urteil: Straflager in Ostsibirien. Was dann folgt, ist eine abenteuerliche Odyssee, die den jungen Dschude quer durch Sibirien, durch russische Straflager und Gefängnisse führt. Tödliche Kälte und Tuberkulose sind dabei die geringsten Gefahren, denen Dschude zu trotzen hat. Als er Jahrzehnte später zurückkehrt, stolpert er in ein völlig anderes Tbilissi: Das Land ist unabhängig, und mit der Rosenrevolution bricht eine neue Ära an.Ein bildgewaltiges Panorama über das Georgien der 1970er Jahre bis in die Gegenwart - unmittelbar und atemlos erzählt. Und dabei nicht zuletzt die Geschichte einer großen Liebe.

Voland & Quist, 546 S., 28,-

Kristen R. Ghodsee

Utopien für den Alltag

Eine kurze Geschichte radikaler Alternativen zum Patriarchat.

Ob Care-Arbeit, Erziehung oder Bildung: Viele Bereiche unseres Alltags sind ungerecht organisiert - zumeist tragen Frauen die Hauptlast. Sie sollen sich um die Kinder kümmern, den Haushalt besorgen, die kranke Verwandtschaft pflegen und ihre ökonomische Unabhängigkeit doch gefälligst für ein Leben in der Kleinfamilie aufgeben.
Im Laufe der Geschichte haben Philosophen, Aktivistinnen und Pioniere nach alternativen Lebensformen gesucht: von den rein weiblichen »Beginenhöfen« im mittelalterlichen Belgien über die matriarchalischen Ökodörfer im heutigen Kolumbien; von der Kommune des Pythagoras bis hin zu Produktions- und Wohngenossenschaften frühsozialistischer Utopisten.
Kristen Ghodsee hat zahlreiche inspirierende Beispiele zu einer radikal hoffnungsvollen Vision versammelt. Einige dieser Experimente waren ein kurzes Leuchtfeuer, andere sind der lebende Beweis dafür, dass eine andere Welt möglich ist. Utopien für den Alltag ist auch ein praktischer Leitfaden für alle, die auf der Suche nach Ideen sind, wie wir gleichberechtigter und glücklicher leben können.

Suhrkamp, 430 S., 28,-

Lisa Blumen

Vor dem Vergessen

Eine Graphic Novel

Der Mond bewegt sich auf die Erde zu und eine Kollision ist unvermeidlich. Angesichts des drohenden Weltuntergangs versucht eine Lebensmittelhändlerin hartnäckig, ihre letzte Dose Bohnen zu verkaufen. Junge Leute entdecken bei einer exzentrischen End-of-Humanity-Party die wahre Liebe. Eine Museumskuratorin steht vor dem Dilemma, entscheiden zu müssen, welche Kunstwerke sie retten soll. Verlassene Kinder erfinden eine neue Familie und finden Unterschlupf bei einem alten Modellbauer.In «Vor dem Vergessen» hat Lisa Blumen eine unheimliche und doch erkennbare präapokalyptische Welt geschaffen, in der die Protagonist_innen weit davon entfernt sind, tapfere Held_innen zu sein, die alles tun würden, um die Menschheit zu retten. Stattdessen offenbaren diese gewöhnlichen Menschen ihre Charaktere durch Interaktionen mit anderen - Interaktionen, die umso mehr anrühren, da sie für den Ausgang der hoffnungslosen Situation irrelevant sind. Paradoxerweise finden die Protagonist_innen auf ihre Weise gerade kurz vor dem Weltuntergang einen Sinn in ihrem Schicksal.«In sanften Pastelltönen und gefühlvollen Worten erzählt Lisa Blumen vom Ende der Welt, von Menschlichkeit und von der Bedeutung der Sinnhaftigkeit, auch wenn alles schon längst verloren ist. 'Vor dem Vergessen' begleitet einen Kanon aus Stimmen und Erlebnissen, blickt kurz und schmerzlich auf den unausweichlichen Abschied der Einzelnen von ihrer Welt, ihrem Leben und allem, was dazwischenliegt. Kleine Geschichten entfalten sich, je absurder die Umstände, desto schöner sind die so intimen Momente der Protagonist_innen. Akzeptanz trifft auf Sturheit, Liebe, Verzweiflung und Gemeinschaft, immer wieder öffnen sich kleine Fenster, in denen einfühlsam das letzte Ausatmen, das letzte bisschen Leben beschrieben wird. Doch kaum lernt man die vielen Darsteller_innen kennen, kaum kennt und spürt man sie, schon muss man Abschied von ihnen nehmen, bis schliesslich auch die letzte Seite umgeblättert ist und die Welt so doch endet.

Edition Moderne, 240 S., 26,-

Vincent Bevins

Die Jakarta-Methode

Wie ein mörderisches Programm Washingtons unsere Welt bis heute prägt.

1965 unterstützten die USA das indonesische Militär bei der Ermordung von etwa einer Million Zivilisten. Mit einem Staatsstreich gegen die antikolonialistische Sukarno-Regierung galt es, das blockfreie Indonesien auf einen prowestlichen Kurs zu bringen und die größte kommunistische Partei außerhalb Chinas und der Sowjetunion auszuschalten. Der preisgekrönte Publizist Vincent Bevins erinnert an ein Massenmordprogramm, das in anderen Teilen der Welt gezielt nachgeahmt wurde, so in Brasilien, Chile oder Argentinien. Er knüpft an seine Berichte als mehrjähriger Brasilien- und Südostasien-Korrespondent der Los Angeles Times bzw. der Washington Post an und stützt sich auf freigegebene Dokumente, Archivmaterial und Augenzeugenberichte aus zwölf Ländern, um zu zeigen: Große Teile des globalen Südens gingen nicht friedlich in das US-geführte Lager über. Vielmehr konnte sich diese Erzählung gerade deshalb halten, weil die CIA-gestützten Interventionen so erfolgreich waren. Mit ihrer brachialen Gewalt war die Jakarta-Methode im Kalten Krieg ein entscheidender Trumpf, der die Welt bis heute prägt.

Papyrossa, 400 S., 28,- €

Alissa Starodub

Ohne Polizei Gewalt

Kritische Theorie & Praxis sozialer Gerechtigkeit.

Die Polizei setzt gesellschaftliche Ordnungsvorstellungen durch. Dabei formt und ordnet sie Gesellschaft mit Gewalt. Die Frage nach der Gewalt ist aber mit jener nach Gerechtigkeit verbunden. Je mehr die sozialen Umstände sich zuspitzen desto dringlicher wird diese Frage. Wie unumstößlich ist die Vorstellung, dass wir eine Form von Gewalt brauchen, um in Gerechtigkeit zu leben? Woher kommt die Idee der gesellschaftlichen Notwendigkeit einer Polizei? Alissa Starodub analysiert, wie und warum die Polizei entstanden ist - um sich mit ihr auf einer theoretischen, politischen und praktischen Ebene auseinanderzusetzen.Welches Verständnis von Gerechtigkeit erhält und verteidigt die Polizei? Welche Rolle hat (Polizei-)Gewalt in diesem Gerechtigkeitsverständnis? In diesem Buch wird an gesellschaftlichen Grundannahmen gerüttelt und in die Praxis aufgebrochen - zu einer Reise durch Welten ohne Polizei. Es ist eine Einladung, die dringliche gesellschaftliche Debatte über die Abschaffung der Polizei zu verstärken.

Mandelbaum, 262 S., 18,- €

Asha Hedayati

Die stille Gewalt. Wie der Staat Frauen alleinlässt

Gewalt gegen Frauen ist eines der drängendsten Probleme unserer Zeit, sie hat sich in den letzten Jahren noch einmal deutlich verschärft. Asha Hedayati, Anwältin für Familienrecht, beschreibt in ihrem Buch, wie der Staat die betroffenen Frauen alleinlässt, und zeigt auf, was sich ändern muss, damit die zuständigen Institutionen wirklich den Schutz bieten, den sie leisten sollten. Die Autorin macht immer wieder die Erfahrung, dass die staatlichen Strukturen Frauen nicht nur unzureichend vor Gewalt schützen, sondern sogar selbst Teil eines gewaltvollen Systems sind. Partnerschaftsgewalt ist wie ein blinder Fleck bei Familiengerichten, Polizei und Jugendämtern, in Sorge- und Umgangsrechtsverfahren. Dabei ist jede vierte Frau ist einmal in ihrem Leben von Gewalt in ihrer Partnerschaft betroffen; mit großer Sicherheit haben wir alle im Bekannten- und Freundeskreis sowohl Betroffene als auch Täter.

Rowohlt TB, 192 S., 18,- €

Mirion Malle

Die Liga der Superfeminist*innen

Mirion Malle nähert sich mit einfacher Sprache und alltäglichen Beispielen komplexen Themen,wie Diskriminierungsformen und Geschlechtsidentitäten, und ermutigt dabei junge Leser_innen zum femi- nistischen Denken, Hinterfragen von Normen und neuem Handeln.Die Liga der Superfeministinnen ist ein wirklich feministischer Kinder- und Jugendcomic. Er richtet sich an Kinder ab 10 Jahren und behandelt mit Klarheit, pädagogischem Gespür und viel Humor die Themen Repräsentation, Sexismus, Einverständnis (consent), Körper und Begriffe wie Geschlecht und sexuelle Identität ... Die Kapitel werden mit praktischen Hilfsmitteln (Bechdel-Test, inklusive Schreibweise ...) ergänzt, die aus diesem Comic ein echtes kleines Handbuch zur feministischen Selbstverteidigung machen, das in jedem Alter nützlich ist: echtes Empowerment!

Orlanda, 60 S., 21,00

Jan Schenck

Verbrannte Orte

Nationalsozialistische Bücherverbrennungen in Deutschland.

1933 wurden im nationalsozialistischen Deutschland in konzertierten Aktionen hunderttausende Bücher missliebiger Autor:innen öffentlich verbrannt. Diese Bücherverbrennungen waren mehr als nur eine kulturpolitische Säuberungsaktion, sie waren zentraler Bestandteil im komplexen Gefüge des nationalsozialistischen Machtdurchsetzungsprozesses. Sie in ihrer Gesamtheit zu betrachten, hat sich das Projekt Verbrannte Orte zum Ziel gesetzt und mittlerweile über 160 Bücherverbrennungen dokumentiert: als Fotografien jener Orte, wie sie heute aussehen. Sie zeigen unspektakuläre Plätze der Alltäglichkeit, nur an wenigen weisen Erinnerungszeichen auf das Geschehene hin. Wie aber betrachten wir diese Orte, wenn wir wissen, was dort passiert ist?Eine Auswahl der Fotografien steht im Mittelpunkt des Buches. Ergänzt werden diese durch Texte, welche die Hintergründe der Bücherverbrennungen beleuchten. Einige Biografien betroffener Autor:innen werden vorgestellt und durch einen detaillierten Blick auf das Thema Exil begleitet. Außerdem wird erörtert, was die Bücherverbrennungen von 1933 mit Demokratie und Meinungsfreiheit von heute zu tun haben.

Mandelbaum Verlag, 192 Seiten, 25,00

Jessica Fern

Polysecure. Bindung, Trauma und konsensuelle Nicht-Monogamie

Die Bindungstheorie hat in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung in der öffentlichen Diskussion gewonnen. Allerdings konzentrieren sich die meisten Überlegungen darauf, wie man sichere monogame Beziehungen pflegen kann. Doch was ist mit den Menschen, die nach sicheren, glücklichen Bindungen mit mehr als einem Partner streben? Die polyamore Psychotherapeutin Jessica Fern betritt hier Neuland, indem sie die Bindungstheorie auf den Bereich der konsensuellen Nicht-Monogamie ausweitet.

Durch ihr kombiniertes Modell von Bindung und Trauma erweitert sie unser Verständnis davon, wie diese emotionalen Erfahrungen unsere Beziehungen beeinflussen. Sie zeigt auf, dass die Art und Weise, wie wir in der Vergangenheit Beziehungen erlebt haben, unsere Bindungsmuster in der Gegenwart prägen und beeinflussen können. Anschließend stellt Fern sechs spezifische Strategien vor, die dabei helfen sollen, in vielfältigen Beziehungen sichere Bindungen zu entwickeln. Diese Strategien können für Menschen in monogamen wie auch in nicht-monogamen Beziehungen relevant sein.

"Polysecure" ist sowohl eine bahnbrechende theoretische Abhandlung als auch ein praktischer Leitfaden und endlich auf Deutsch erhältlich. Es bietet nicht-monogamen, polyamoren sowie in offenen Beziehung lebenden Menschen, ein neues Instrumentarium, um die Komplexität multipler Liebesbeziehungen zu bewältigen. Das Buch enthält radikal neue Konzepte, die die Diskussion über die Bindungstheorie mit Sicherheit beeinflussen werden. Es ist ein wichtiger Beitrag für alle, die ihr Verständnis von Beziehungen erweitern und verbessern möchten.

divana Verlag, 308 Seiten, 27,95

Jose Dalisay

Last Call Manila

Ein Zinksarg trifft auf dem Manila International Airport ein, in dem laut Begleitschein eine Tote namens Aurora V. Cabahug liegt. Es gibt keine Informationen, warum die Frau in Saudi-Arabien, wo sie als Dienstmädchen arbeitete, umgebracht wurde. Ein Hilfspolizist, der den Sarg in ihre Heimatstadt transportieren soll, kennt den Namen der Frau - er hat sie erst gestern als Sängerin »Rory« in einer Karaoke-Bar gesehen. Er erfährt, dass die Tote die Schwester von Rory ist, die unter falschem Namen nach Saudi-Arabien vermittelt wurde. Aus der Recherche, warum sie das tat, wie und warum sie umgebracht wurde, wie sie auf den Philippinen und dann in Saudi-Arabien gelebt hat, entwickelt sich ein spannender Einblick in eine Gesellschaft, in der es fast in jeder Familie mindestens eine Frau oder einen Mann gibt, die in weit entfernten Ländern, in Westeuropa, Arabien, Skandinavien oder den USA arbeiten und das Geld Jahr für Jahr an ihre Familien überweisen. Eine fluktuierende Gesellschaft, immer konfrontiert mit neuen, oft entwürdigenden Erfahrungen in immer neuen Ländern, aber vielleicht gerade deswegen so eng miteinander verbunden.

Transit Berlin, 224 Seiten, 22,00

D Hunter

Auf uns gestellt. Armutsklasse, Trauma und Solidarität.

Im aktuellen Diskurs über Klasse und Klassismus kommt das Milieu, aus dem D Hunter stammt, nicht vor. 1979 oder 1980 wird Hunter in eine Familie von Irish Travellers geboren. In seiner Jugend in Nottingham bringt er sich, seine nur 13 Jahre ältere Mutter und seine drei Schwestern als minderjähriger Sexarbeiter, Drogenkurier und Dieb durch Er ist Opfer und Täter extremer Gewalt, landet in Gefängnis und Psychiatrie. Mit Mitte zwanzig beginnt er dort zu lesen und seine Lebensumstände als politisch bedingt zu reflektieren.»Auf uns gestellt« ist ein Buch über Traumata, Klasse und Identität, über die Gewalt des weißen Kapitalismus, über ökonomisch und sozial marginalisierte Menschen, die als überflüssig gelten. Schonungslos und weit entfernt von jeder Fetischisierung der Armut schreibt Hunter über seinen Großvater, der ihn vergewaltigt, seine Freundin, mit der er ein Junkie-Leben teilt, über seinen prügelnden rassistischen Vater, seine psychisch kranke Mutter, die ihn ausbeutet, und über Freunde, deren Solidarität er erfahren hat. Es sind Menschen, die für ihre Armut individuell verantwortlich gemacht und abgestraft werden und denen ihre Menschlichkeit fortwährend abgesprochen wird. Denen durch staatliche »Fürsorge« und durch das Gefängnis- und Psychiatriesystem einmal mehr Gewalt angetan wird.Mit beeindruckender Klarheit und Glaubwürdigkeit führt D Hunter seine Erfahrungen mit einer radikalen Theorie und Praxis zusammen - für eine solidarische Community-Arbeit und eine abolitionistische Praxis von unten, die sich gegen Staat und Gefängnissystem richtet.

Edition Nautilus, 256 S., 20,00

Emilia Roig

Das Ende der Ehe.

Für eine Revolution der Liebe | Feministische Impulse für die Abschaffung einer patriarchalen Institution.

Die Ehe normiert Beziehungen und Familie, kontrolliert Sexualität, den Besitz und die Arbeitskraft. Sie ist eine wichtige Stütze des Kapitalismus und lässt uns in binären Geschlechterrollen verharren. In ihrem mutigen und provokanten Buch ruft Emilia Roig daher das Ende einer patriarchalischen Institution aus. Sie hinterfragt die Übermacht der Paare und untersucht, ob man Männer lieben und zugleich das Patriarchat stürzen kann. Letztlich wäre eine Abschaffung der Ehe nicht nur für Frauen befreiend, sondern für alle. Denn nur dann können wir Liebe in Freiheit und auf Augenhöhe miteinander neu denken und leben.

Ullstein Verlag, 384 S., 22,99

Anna Sabel, Natalia Amina Loinaz, Verband binationaler Familien und Partnerschaften (Hg.)

(K)ein Kopftuchbuch.

Über race-, Religions- und Geschlechterkonstruktionen und das, wovon Kopftuchdebatten ablenken.

Seit nunmehr fünfundzwanzig Jahren wiederholen sich in Deutschland die immer gleichen Kopftuchdebatten: Unaufhörlich werden die Motive für das Tragen von Kopftüchern hinterfragt, ihr Dasein problematisiert und Kopftuch tragende Frauen herabgewürdigt. Was sagt die Vehemenz dieser Debatten über unsere Gesellschaft aus? Welche Bilder von Neutralität, Geschlecht und Religion finden dabei Anwendung und welche Vorstellungen von Zugehörigkeit und ihren Grenzen fördern sie zutage? Die Beitragenden aus Wissenschaft und Aktivismus gehen diesen Fragen nach und setzen sich u.a. mit der Rassifizierung von Geschlecht, der Vergeschlechtlichung von race sowie der Verknüpfung von race- und Religionskonstruktionen auseinander - mal nah an Kopftuchdebatten, mal davon losgelöst.

transcript Verlag, 190 S., 19,-

Xiaowei Wang

Blockchain Hühnerfarm.

Geschichten über Technologie und KI im ländlichen China.

In ihren klugen Reportagen untersucht Xiaowei Wang die politischen und sozialen Folgen des Einsatzes modernster Informationstechnologien im ländlichen China. Von Schweinezüchtern, die Künstliche Intelligenz einsetzen, um das perfekt gezüchtete, gemästete und geschlachtete Tier zu erzeugen, über Hühnerfarmen, die mit Hilfe der Blockchain die Qualität von Lieferketten sicherstellen wollen, bis hin zu den disruptiven Fälschungen von Luxuswaren in entlegenen E-Commerce-Dörfern: Auf Basis direkter Gespräche mit den Menschen vor Ort gibt Blockchain Hühnerfarm ebenso verstörende wie erhellende Einblicke in einen sich fern der bekannten Metropolen längst rasant digitalisierenden Raum. Zudem wird klar: Die Vorstellung von rückständiger Provinz und fortschrittlicher Stadtbevölkerung entbehrt jeder Grundlage, vielmehr führen die Anpassungsstrategien auch kleinster Betriebe vor Augen, wie das Ineinanderwirken von Nahrungsmittelproduktion und Informationstechnologie zu völlig neuen Umwelten führt.

Wangs kritisch reflektierte Feldforschungen werfen von den scheinbar hintersten Winkeln des globalen Dorfs aus einen weiten Blick auf die Zukunft auch unserer Lebensräume.

Xiaowei Wang schreibt, programmiert und macht Kunst und ist Kreativdirektorin beim Logic Magazine. Ihre Arbeit dreht sich um gemeinschaftsbezogene und öffentliche Kunstprojekte, Datenvisualisierung, Technologie, Ökologie und Datensicherheit. Ihre zahlreichen Projekte wurden u.a. von der New York Times, von BBC, CNN, VICE präsentiert.

Diaphanes Verlag, 260 S., 20,-

Natascha Strobl

Solidarität

Wir haben nur uns.
Solidarität ist die Einsicht, dass die Ausgebeuteten, die Verdammten dieser Erde nur eine einzige Möglichkeit haben, ihre Rechte durchzusetzen: indem sie Mehrheiten bilden.

Unsere alten Gewissheiten zerbrechen aktuell an vielgestaltigen Krisen. Dem beizukommen wäre vornehmste Aufgabe der Politik. Doch die stellt sich kein gutes Zeugnis aus: Die einen klammern sich an den Glauben, dass die verlorene Normalität rückholbar ist. Die anderen wollen die Krisen mit Individualismus oder autoritären Maßnahmen meistern - und bedrohen damit den Rechtsstaat.

Natascha Strobl plädiert für einen dritten Weg: eine gemeinsame, antikapitalistische Klammer. Denn die Art, wie wir leben, produzieren und wirtschaften, muss sich grundsätzlich ändern. Das muss nichts Schlechtes bedeuten, wenn die Lösung echte Solidarität ist - ein kollektiver Wert, der individuelle Befindlichkeiten überwindet.

Kremayr & Scheriau Verlag, Hardcover, 128 Seiten, 20,-

Tupoka Ogette

Ein rassismuskritisches Alphabet.

Das Nachschlagewerk von der anerkannten Vermittlerin für Rassismuskritik

Tupoka Ogette ist DIE deutsche Vermittlerin für Rassismuskritik - auf ihren vielen Plattformen erklärt sie ihrem Publikum täglich, was Rassismus bedeutet und wie wir ihm entgegentreten können. In »Ein rassismuskritisches Alphabet« ordnet sie jedem Buchstaben von A-Z einen Begriff rund um das Thema Rassismus zu, definiert und ordnet ihn anschließend ein. Anhand von Fragen der Autorin können die Leser_innen auf einer freien Seite das Thema vertiefen. Das vierfarbige »Nachschlagewerk« und Workbook basiert auf Tupoka Ogettes Alphabet auf ihrem Instagramkanal und erscheint erstmals überhaupt in Buchform.

Das Nachschlagewerk der SPIEGEL- Bestsellerautorin von »exit RACISM - Rassismuskritisch denken lernen« hinterfragt Denkgewohnheiten, deutet auf Alltagsrassismus hin und zeigt Möglichkeiten auf, wie wir rassismuskritisch denken und leben können.

cbj Jugendbuch (ab 14 Jahre), 128 Seiten, 15,-

Şeyda Kurt

HASS - Von der Macht eines widerständigen Gefühls.

WER HAT DIE MACHT ZU HASSEN? - Erkundung eines politischen Gefühls

Der Hass, dieses knirschende, zersetzende Gefühl, ist allgegenwärtig. Er brüllt von den Straßen oder flüstert in gutbürgerlicher Feindseligkeit. Er wächst in Parlamentsreden, Querköpfen und Kinderzimmern - und ganz bestimmt nicht im Verborgenen, auch wenn viele ihn gerne dorthin verdammen würden.

Seyda Kurt holt den Hass raus aus der Verbannung und begibt sich auf die Spuren seines widerständigen Potentials. Dabei interessieren sie vor allem die Menschen als Subjekte des Hasses in einer kapitalistischen, rassistischen und patriarchalen Welt. Wer sind sie, diese Hassenden, und aus welchen Machtverhältnissen kommen sie? Wer darf überhaupt hassen und wer nicht? Welche Gefühle lähmen, welche Gefühle helfen, nicht zu erstarren, und sich immer und immer weiter zu bewegen auf dem Weg in eine gerechtere und zärtliche Gesellschaft?

Schonungslos, launig und jenseits selbstgerechter Entrüstung erkundet Seyda Kurt den Hass von seiner schöpferischen Seite: als Kategorie der Ermächtigung, der Menschen in ihrem innersten Unbehagen abholen und mobilisieren kann, als widerständiges Handwerk - und nicht zuletzt als dienliches Gefühl, das uns hilft, uns in einem Ozean aus möglichen Reaktionen auf die Welt zurechtzufinden.

HarperCollins, Paperback, 208 Seiten, 18,-